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Eric van Helden

01 Audio Blog

Aktualisiert: 29. Sept.

IchBin(s) war mal wieder mit Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt. Was man nicht tat, wenn man verzweifelt war: Ja, sogar den Rat seiner Assistentin befolgen. Das war nämlich ihre Idee, nicht meine gewesen, einen Audio-Blog ins Leben zu rufen. Immerhin war das schon die zweite Folge! In der ersten hatte ich mich noch fein aus der Affäre ziehen können und minutenlang über einen Hundeagenten berichten können. Die süße Geschichte von einem Welpen der hinaus in die weite, große Welt hinauszieht, um ein Held zu werden. Nicht einmal ein zu Stein gewordener Troll hätte dem widerstehen können und doch noch eine letzte Träne der Rührung vergossen.

Doch worüber sollte ich heute berichten? Mein Hemd klebte vor lauter Schweiß bereits am Ledersessel und die Finger meiner rechten Hand machten immerzu Kunststückchen mit dem Stift mit der eingravierten Aufschrift ‘Ich bin der Boss’. Ich betrachtete diesen Stift. An dessen Kopf rangierte im Kleinformat mein Ebenbild, breit grinsend, ganz passend zum Boss-Slogan. Mann, wie ich mich an diese guten, alten Zeiten zurücksehnte. Da war ich noch ein angesehener Held, der Heldenhaftes vollbrachte: Die Menschheitsgeschichte mit unseren Agenten im Sinne der lichtvollen Ordnung zu beeinflussen. Das war nachwievor unsere Mission, unsere Verantwortung gegenüber den Menschen. Sie waren schließlich etwas Besonderes. Jetzt hatte sich das Blatt aber irgendwie gewendet. Seit einigen Jahren musste ich den politischen Größen in den …, na ja, geradezu dort hineinkriechen. Alles, um Mittel bewilligt zu bekommen, jene, die ich dringend brauchte, um die Medien bei Laune zu halten, mit allerlei PR-Gags und Werbung, während die Experten der Akademie fieberhaft nach dem Gegenmittel für diesen verdammten Nebel forschten - bisher allerdings erfolglos.

In diesem Moment hätte ich alles dafür gegeben, nicht der allwissende Schöpfer unzähliger Agentenbiographien und zeitgleich der Leiter der renommierten Heldenakademie zu sein. “Ach was soll’s”, sprach ich im Flüsterton zu mir selbst, um das Aufnahmesystem nicht auszulösen, “ich kann den Karren eh nicht eigenhändig aus dem Dreck ziehen. Andere können das viel besser als ich, echte Forscher-Helden. Ich verlasse mich auf sie. Bis wir nicht erfolgreich den nächsten Agenten durchbekommen, heißt es eben ‘Fake it, till you make it’ und immer freundlich ins Mikro lächeln…”.

“Chef, sind Sie wieder soweit?”, fragte eine ungeduldige, schrille Stimme am Aufnahmepult für den 5D surround, super-high fidelity Sound, natural voice, clear input / ouput… Ach den Rest konnte ich schon gar nicht mehr entziffern, denn der Aufkleber auf dem Pult klebte um die Ecke. Ich nahm meinen Mut zusammen und antwortete resigniert mit einem knappen: “Ja, ja, schon gut meine Liebe, ich bin wieder so weit.”

Dafür eignete sich meine sonore Stimme bestens, besonders dann, wenn es in dieser neue Episode wieder einmal darum ging, den Audio-Blog der Helden-Akademie zu lancieren. Das hatte schon den ganzen Vormittag in Anspruch genommen, kein Wunder, dass meine Assistentin langsam die Wände hochging. Ich hatte Mitleid mit ihr. Dabei verselbstständigte sich ein Teil meines Gehirns und ich hörte mich reden: Wenn ich an all die anderen, sinnvolleren Tätigkeiten denke… Einer muss es ja schließlich tun! Ich befeuchtete mir die Kehle, räusperte mich abermals, gab dem System mit der rechten Hand einen Wink und die Aufnahme fuhr fort:

“Lassen Sie es mich Ihnen näher erklären. Helden werden in unserer Akademie rundum ausgebildet. Sie werden anschließend als Agenten auf die Erde geschleust, wo jeder von ihnen einer spezifischen Mission nachgeht, je nach der Art der Ausbildung, die er oder sie erfahren hat. Unser neuester Held, ein Junge, wird zum Beispiel zum Transformations-Spezialisten ausgebildet.

Doch die Heldenakademie hat seit geraumer Zeit mit einem Problem zu kämpfen: Beim Transfer auf die Erde oder kurz danach, so genau wissen wir das noch gar nicht, vernebeln die meisten unsere Agenten. Sie vergessen ihre Identität und damit ihre Mission, nicht aber ihre zuvor im Training erworbenen Fertigkeiten. Nun haben wir den Salat, werden Sie meinen. Doch, sehen wir das Ganze zur Abwechslung mal positiv: Das ist die Ursache, weshalb auf der Erde immer wieder mal außergewöhnliche Individuen in Erscheinung treten, und irgendwie gelangen einige von ihnen doch noch dorthin, wo sie bestimmt waren.

Dieses Phänomen erklärt aber leider auch, wie es zu Fehlentwicklungen in der menschlichen Geschichte kam, bedingt durch das Auftreten von Super-Schurken und deren Organisationen. Solche Individuen haben selten noch etwas Menschliches an sich, glauben Sie mir.” Sollte ich jetzt noch mehr ins Detail gehen oder ging das schon zu weit? Gerade jetzt waren Zweifel nicht angebracht. Also fuhr ich fort.

“Die Mehrheit der vernebelten Helden führt einfach nur ein Durchschnittsleben. Ihre Fertigkeiten schlummern vor sich hin. Zumindest nehmen wir das an. Genauere Untersuchungen sind gar nicht erst möglich. Bei anderen Lebensformen, die, sagen wir, etwas ursprünglicher geblieben sind, geschieht diese Vernebelung viel seltener. Auf Grund des höheren Trainingsaufwandes und der Spezialkursen, sind jedoch nur recht wenige derartige Agenten auf der Erde unterwegs. Einer davon ist unser Therapie-Hund Held, über den ich im letzten Audio-Blog bereits berichtet habe.” Es machte kurz Klack und meine Assistentin meldete sich zu Wort:

“He Chef, bist jetzt habe ich das sauber im Kasten - klingt richtig gut. Zählen sie lautlos bis drei und es kann mit Teil zwei weitergehen.”

Eins, zwei, …

“Die Wissenschaftler der Akademie, im Dienste der Dachorganisation auf unserer Heimatwelt, dessen langjähriger Leiter ich derzeit bin, waren nicht untätig und haben die Ursache für dieses lästige Vergessen gefunden. Es handelt sich hierbei um einen feinstofflichen Täuschungsnebel, der der irdischen Atmosphäre beigesetzt wurde. Entgegen des terrestrischen Irrglaubens, dass Wissenschaft allmächtig und allwissend sei, schafften es auch unsere Experten nicht, die Wirkung des Nebels zu neutralisieren.

Während wir die Neigung der Menschen positiv auf die Wirkung des feinstofflichen Nebels zu reagieren und bereits kurz nach der Geburt ihr zu erlegen, als Folge eines natürlichen Prozesses betrachten, so sollten sich unsere Agenten weitaus resistenter erweisen. Dies war bis vor einigen Jahren auch der Fall, mutmaßen wir. Die Tatsache, dass dies nicht mehr so sei, deutet auf eine manipulatorische Instanz hin, die unsere Bemühungen entgegenwirkt und dessen Urheberschaft wir noch nicht in der Lage waren, zuzuschreiben.”

So, gleich haben wir’s. Bloß nicht den roten Faden verlieren.

“Es sei zuletzt noch erwähnt: Prinzipiell werden Helden in Form von Agenten dorthin ausgesandt, wo man sie braucht. Ein Hund wurde beispielsweise in erster Linie von der Dachorganisation als Therapeut für jene Helden fest eingestellt, die sich gerade im Einsatz befanden.

Nachdem aber in den letzten Jahren so wenige Agenten den aktiven Dienst vor Ort unbeschadet antraten, aktualisierte man sein Spacebook Profil.”

Jetzt kam ich spürbar ins Schwitzen, ich fühlte mich beim nächsten Punkt irgendwie persönlich angesprochen.

“Ich brauche es Ihnen sicher nicht näher zu erläutern, aber ich tue es dennoch, für die weniger Technik affinen unter Ihnen: Spacebook ist die zentrale Helden-Datenbank, Breaking News Kanal und beliebtes Kommunikationsmittel der Helden-Dachorganisation zugleich. Nur um das klarzustellen: Ähnlich klingende Formate sind nur primitive Kopien, betreut durch ehemalige Agenten, die der Wirkung des Nebels verfielen und sich gänzlich vergaßen.

Seit einigen Jahren ist kein Sprung auf die Erde durch Erfolg gekrönt worden: Ein junger Agent, den wir bald aus der Heldenakademie entlassen werden, wird hoffentlich wohlbehalten am Zielort seiner Mission ankommen, ohne das Wissen um seiner neu einstudierten Identität zu verlieren. Wir wünschen dem jungen Aerik an dieser Stelle viel Glück bei seinem Unterfangen! Dabei werden wir ihn selbstredend, wenn es so weit ist, aktiv mit allen zur Verfügung stehenden Mittel, guten Ratschlägen und vor-Ort-Personal unterstützen. Ich danke Ihnen, für Ihre Aufmerksamkeit. Das war’s auch für diese Woche. Wir hören uns bald wieder. Beste Grüße Ihr, IchBin(s).”

Es war vollbracht. Ich schloss die Augen, mein Rücken entspannte sich wieder. Ich hatte für heute wahrlich Heldenhaftes vollbracht!

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